Kraft vs. Cardiotraining

Jede Trainingsmethode hat ihre Daseinsberechtigung. Zu sagen eine sei der anderen überlegen, wäre daher irrational. Sowohl Krafttraining, als auch Ausdauertraining haben ihre Vor- und Nachteile und selbstverständlich hängt es auch von den individuellen Präferenzen des Athleten ab. Jedoch gibt es immernoch zahlreiche Vorurteile und Mythen im Bereich von Kraft- und Ausdauertraining, welche ich im Folgenden kurz aufklären möchte. 

1. Krafttraining macht zu muskulös

Dass insbesondere viele Frauen Abstand von den Hantelscheiben im Fitnessstudio halten möchten, lässt sich darauf zurückführen, dass immernoch die Angst besteht, man könnte über Nacht zum Hulk werden. Da Frauen ein völlig anders hormonelles Milieu im Körper aufweisen und eben nur einen Bruchteil des freien anabolen Hormons Testosteron besitzen, werden Frauen generell eher keine Muskelpakete auf ihren Körper packen können. Natürlich gibt es zahlreiche Gegenbeispiele. Hinter diesen enorm durchtrainierten Körpern stecken jedoch Jahre an härtester Disziplin im Training und der Ernährung. Der Normalbürger wird mit einem moderaten Training 2-3 x die Woche nie zu solchen Ergebnissen kommen. 

2. Muskeln erhöhen den Grundumsatz

Um Gewicht zu verlieren wird häufig empfohlen Krafttraining zu betreiben, da eine erhöhte Muskelmasse auch viel mehr Kalorien verbrennen kann. Zwar stimmt die Aussage, jedoch bilden sich hier zwei kleine Probleme.

 

Erstens ist der Effekt nicht allzu groß. Pro Kg antrainierter Muskelmasse verbrennt unser Körper in Ruhe (je nach Studie) etwas mehr wie 15 kcal pro Tag. Bei einer Erhöhung der Muskulatur um 10 Kg (was sehr anstrengend ist und lange dauert), sind das gerade einmal 150 zusätzliche kcal die täglich verbraucht werden. Das Krafttraining selbst verbraucht natürlich auch je nach Intensität einiges an Energie, weshalb man darauf definitiv nicht verzichten sollte. Der primäre Effekt kommt aber nicht von der erhöhten Muskulatur, sondern von der generellen sportlichen Betätigung.

 

 

Das zweite Problem liegt in der Kalorienbilanz. Wer abnehmen will, benötigt generell eine negative Kalorienbilanz. Weniger Kalorien müssen dem Körper zugeführt werden, als er benötigt. Um effektiv Muskulatur aufzubauen, benötigt der Körper jedoch einen Kalorienüberschuss, also genau das, was man beim Abnehmen vermeiden möchte. Krafttraining sollte natürlich dennoch in den Trainingsplan integriert werden, um auch in der Gewichtsreduktion genügend mechanische Reize auf die Muskeln zu geben. Wir wollen schließlich Fett verlieren und die Muskulatur erhalten. 

3. Ausdauertraining im Fettverbrennungsbereich

Seit langer Zeit hält sich der Mythos, dass man zum Abnehmen im „Fettverbrennungspuls“ arbeiten muss. Bei den meisten Personen ist dieser Puls im Bereich von 130 – 150 bpm. Bei dieser moderaten Belastung kann der Körper die Fettsäuren im Körper optimal zur Energiebereitstellung heranziehen. Wenn intensiver trainiert wird, reicht die Sauerstoffversorgung nicht mehr aus, um genügend Fett zu oxidieren, weshalb die Glykogenspeicher als Energielieferant bevorzugt werden. Ob die beim Training verbrannte Energie jetzt allerdings aus Fett oder aus Kohlenhydraten kommt, ist dem Körper auf lange Sicht hin egal. Was zählt ist, die Anzahl der verbrannten Kalorien. Daher ist es auch irrelevant, ob die morgendliche Ausdauereinheit nach dem Frühstück oder auf nüchternen Magen erfolgt. [1,2] Klar ist: wer intensiver trainiert verbrennt mehr Kalorien. Wer allerdings im moderaten Bereich trainiert, kann länger durchhalten und ebenso eine enorme Menge an Kalorien verbrennen. Letztendlich zählt also die Intensität genauso wie die Dauer des Trainings. Wer in der gleichen Zeit also intensiver trainiert, wird letztlich mehr Erfolge erzielen. 

4. Kraft- und Ausdauertraining kombinieren

Tatsächlich zeigt die Studienlage, dass die Effekte von Kraft- und Ausdauertraining teilweise entgegengesetzte Wirkungen für den Körper haben. Der sogenannte "Interferenzeffekt" besagt, dass Kraft- und Ausdauertraining sich gegenseitig so beeinflussen, dass bei keinem der beiden ein Leistungsoptimum erreicht werden kann. Dies betrifft insbesondere Sportler, die kraftvolle Explosivbewegungen ausführen müssen. Hier kann ein zusätzliches Cardiotraining den Kraftanstieg mindern. Für den gesundheitsorientierten Sportler hat die Kombination beider Bereiche jedoch mehr Vorteile als Nachteile und sollte somit immer berücksichtigt werden. [3,4,5] 

5. Laufen ist gesund

Laufen hat ganz klare gesundheitsförderliche Eigenschaften. Vor allem das Herz-Kreislaufsystem profitiert von diesem Ausdauersport. Allerdings sollte, vor allem bei Personen ohne Vorerfahrungen, der Einstieg langsam erfolgen. Zu langes und intensives Training ist gerade beim Laufen nicht immer förderlich. Untrainierte Gelenke und Muskeln können den Belastungen beim Laufen oft nicht standhalten. Die Lauftechnik muss in jedem Fall geschult werden, da ein Großteil der Jogger regelmäßig mit einer katastrophalen Lauftechnik unterwegs ist, welche auf lange Sicht eher schädlich für die Gelenke ist. 

6. Intensives Krafttraining ist ungesund

Genau wie beim Ausdauertraining ist die korrekte Technik die oberste Priorität. Wenn wir beim Krafttraining eine perfekte Technik voraussetzen, ist selbst ein intensives Krafttraining nicht schädlich. Neben dem eigentlichen Training müssen natürlich auch die Ernährung und die Regeneration beachtet werden. Aber wenn diese Faktoren optimal zusammenkommen, ist es kein Problem für unseren anpassungsfähigen Körper Gewichte im Bereich von 100-200 kg oder mehr zu bewegen. [6]

Literaturverzeichnis

[1] Schoenfeld, Brad Jon, et al. "Body composition changes associated with fasted versus non-fasted aerobic exercise." Journal of the International Society of Sports Nutrition 11.1 (2014): 54.

[2] Shiraev, Tim, and Gabriella Barclay. "Evidence based exercise: Clinical benefits of high intensity interval training." Australian family physician 41.12 (2012): 960.

[3] Bell, G.J. et al.: Effect of concurrent strength and endurance training on skeletal muscle properties and hormone concentrations in humans. Eur J Appl Physiol 2000; 81: 418±427.

[4] Cook, J.N. et al.: Arterial compliance of rowers: implications for combined aerobic and strength training on arterial elasticity. Am J Physiol Heart Circ Physiol 2006; 290 (4): H1596–H1600.

[5] Cressey, E.: Cardio confusion. Implications for strength and power athletes. t-nation.com/readTopic.do?id=548070

[6] Warburton, Darren ER, Crystal Whitney Nicol, and Shannon SD Bredin. "Health benefits of physical activity: the evidence." Canadian medical association journal 174.6 (2006): 801-809.

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