Faszienrollen - nur ein sinnloses Stück Schaumstoff?

Faszienrollen haben es geschafft in kurzer Zeit in jeden Bereich der Fitnessbranche einzudringen. Die meisten Trainer, Studios und Athleten sind dem Trend auch gefolgt und Faszienkurse, Triggerpunkt Massagen und spezielle Trainingsprogramme für Faszien werden nun angeboten. Und auch wenn der anfängliche Hype langsam etwas nachlässt, bleibt die Frage, ob das Ausrollen des Gewebes denn überhaupt etwas bringt?

Was ist die Faszie?

Zu sagen was die Faszien genau sind, ist schwierig, da in den letzten Jahren viele neue Definitionen erarbeitet wurden und noch keine Definition in der Literatur vollständigen Anklang gefunden hat. Generell lässt sich aber sagen, dass Faszien das Bindegewebe darstellen, dass all unsere Muskeln, Organe und Gefäße im Körper umschließt und somit miteinander verbindet. Faszien kann man man nicht als abgeschlossenes System sehen, sondern als ein Netzwerk, das sich komplett durch den Körper zieht. 

Der Aufbau des körpereigenen Fasziengewebes ist sehr komplex. Unter unserer Haut befindet sich die große Fascia superfiscialis – die oberflächliche Körperfaszie. Diese Faszienschicht verbindet alle Körperteile miteinander und kann als eine allumfassende Hülle angesehen werden. Die große Körperfaszie steht jedoch auch in direkter Verbindung mit anderen Faszien, wie z.B. den Muskelfaszien (profunde Faszien), den Nervenfaszien (Meningeale Faszien) oder auch den viszeralen Faszien. All diese Bindegewebsschichten, die hauptsächlich aus Kollagen, Elastin und Bindegewebszellen (Fibroblasten) bestehen, sind miteinander vernetzt. Die einzelnen Schichten sind so angelegt, dass sie trotz ihrer Verbindung zueinander problemlos übereinander gleiten können und somit ein vollständiges Bewegungsausmaß garantieren. Fasziengewebe enthält eine große Zahl an Rezeptoren, darunter Schmerzrezeptoren, aber auch Rezeptoren, für die Wahrnehmung von Druck, Dehnung (Ruffini Körperchen) und Impulswechsel (Vater-Pacini-Körperchen). [1]

 

Erkrankungen der Faszien

Faszien werden immer häufiger als Ursache für körperliche Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verantwortlich gemacht. In meinem Artikel über Muskelkater kannst du dir ansehen, wie Schmerzrezeptoren in der Faszie ihren Teil zum Muskelkater beitragen. 

Wenn der Körper nicht regelmäßig beansprucht wird, bzw. seine Gelenke nicht in vollem Bewegungsumfang trainiert werden oder er übermäßig lange in ungünstigen Körperhaltungen zubringt, kommt es zur Anpassungen in den Faszien. Die Faszienschichten, die problemlos übereinander gleiten sollten „verkleben“. Es bilden sich sogenannte Crosslinks zwischen den Schichten, die auf Dauer die Bewegung einschränken können. Ebenso können sie weitere Fehlhaltungen begünstigen und es können sich Triggerpunkte ausbilden. Das sind lokale Stellen in der Muskulatur, welche durch eine gestörte Funktion des Nervensystems in der Region chronisch innerviert werden und was sich in einem fühlbaren „Knoten“ in der Muskulatur widerspiegelt. Detaillierter möchte ich hier nicht ins Thema eintauchen. Wenn du Interesse zu den biochemischen Vorgängen bei der Bildung von Triggerpunkten hast, gib mir gerne in den Kommentaren Bescheid. 

Faszien sind nachweislich für eine große Zahl von Muskel-Skelett Erkrankungen verantwortlich. Schauen wir uns nun also an, ob das Behandeln mit einer Faszienrolle diese Probleme beseitigen kann. 

Wirkung des SMFR

Das sogenannte Myofascial Release (MFR) – also das Lösen der genannten Verspannungen durch Behandlung der Faszienstrukturen - wird in der Wissenschaft ausgiebig untersucht. Es gibt aber einen klaren Unterschied, ob man sich von einem Facharzt behandeln lässt, oder selbst Hand anlegt (self-myofascial release SMFR). Aus einem umfangreichen systematischen Review aus dem Jahr 2015 geht hervor, dass SMFR positive Einflüsse auf die Flexibilität, die Reduktion von Muskelkater, Arterienfunktion und für das parasympathische Nervensystem haben kann. [2]

 

Momentan ist noch eine Menge Forschung notwendig, um die molekularen Gegebenheiten rund um die Faszien aufzuschlüsseln. Es gibt schon einige Erklärungsmodelle, mit welchen die Effekte des SMFR begründet werden sollen. Zum einen soll der Blutfluss im Gewebe verbessert werden, was Entzündungen vermindert und auch Muskelkater oder Triggerpunkte reduziert. Ebenso soll das Rollen den Wasserhaushalt im Fasziengewebe regulieren und somit Verkürzungen lösen. Die häufigste Theorie besagt, dass Faszienschichten, die normalerweise übereinander gleiten, durch Verklebungen untereinander dazu führen, dass die Beweglichkeit in diesem Gewebe eingeschränkt ist. Die Bewegung über den vollen Gelenkumfang mit gleichzeitigem Druck der Rolle soll dazu führen, dass sich diese „Verklebungen“ lösen. 

Wenn dir also jemand weismachen möchte, er könne dir klipp und klar sagen weshalb Faszientraining für dich so super ist, kannst du zu Recht skeptisch sein. Auf diesem Wissenschaftsgebiet muss noch eine Menge geforscht werden und die tatsächlichen Mechanismen müssen herausgefunden werden. Dennoch kann man für die Praxis schon einige positive Effekte notieren. 

Effekte von Faszientraining

Ein erhöhtes Bewegungsausmaß in den Gelenken durch das Rollen wurde in einer aktuellen Studie nicht gefunden. Jedoch konnte in der Studie gezeigt werden, dass unabhängig von der Roll-Geschwindigkeit, die „Steifheit“ des Gewebes verbessert wurde. [3] Andere Studienergebnisse deuten allerdings schon darauf hin, dass ein kurzes Faszientraining unmittelbar vor der sportlichen Betätigung, den Bewegungsradius erhöhen kann. [4] So wurde ein signifikanter Unterschied in der Hüftstreckung beim Ausfallschritt festgestellt, wenn ein Faszientraining durchgeführt wurde. Die Effekte waren allerdings nur temporär und ließen nach einer Woche ohne Faszientraining wieder nach. Auch für den Bewegungsumfang im Kniegelenk und der damit verbundenen Sprungkraft zeigten sich positive Effekte unmittelbar nach einer Faszienbehandlung. [5]

 

Häufig wird das Argument hervorgehoben, dass mit Hilfe der Faszienrolle, verklebte oder verkürzte Strukturen wieder gelockert und zu ihrer normalen Funktion gezogen werden. Durch die große Auflagefläche einer Rolle, verteilt sich das Körpergewicht jedoch so, dass auf einem Punkt nur wenig Druck lastet. Eine Studie zeigt, dass der Druck der benötigt würde, um eine Deformation des Gewebes zu gewährleisten, von der Rolle nicht ausreicht. [6] Enorme Kräfte außerhalb des physiologischen Rahmens wäre notwendig, um eine Veränderung von nur 1 % zu erzielen. Auch hier bedarf es weiterer Forschung, da natürlich nicht jede fasziale Struktur gleich ist. 

Meine Empfehlung

Die Faszienrolle zu benutzen ist natürlich in erster Linie nicht schlecht. Jedoch ist es deutlich sinnvoller, zuerst zu wissen, was die zu behandelnden Symptome auslöst. Wenn klar ist, dass es sich um „verklebtes Fasziengewebe“ handelt, ist es aber immernoch ratsamer zu Bällen zu greifen, welche aufgrund der geringeren Auflagefläche tiefer ins Gewebe dringen können. Auch sollte die Last hier für einen längeren Zeitraum auf der verantwortlichen Stelle einwirken. Gerne kann der Muskel abwechselnd kontrahiert und wieder gelockert (contract & relax Methode) werden, um den Effekt zu erhöhen. 

Die klassische Faszienrolle bietet sich jedoch eher zum Steigern der temporären Mobilisation an. Vor dem Training kann das Gewebe gelockert werden und ein größerer Bewegungsradius wird erreicht. Nach dem Training kann ein lockeres Rollen dazu führen, dass die Muskeln besser durchblutet werden und Stoffwechselprodukte nach einem intensiven Training abtransportiert werden. So kann man die Intensität eines eintretenden Muskelkaters leicht senken. 

Fazit

Es wird noch einige Zeit dauern, bis man sich vollkommen über die zu Grunde liegenden zellulären Mechanismen im Klaren sein wird. Bis dahin, sollte man nicht mehr in das Fasziengewebe und die Faszienrollen hineininterpretieren als nötig ist. Einige hilfreiche Hinweise sind mittlerweile schon vorhanden, welche jeder für sein Training verwenden kann. Wenn sich in naher Zukunft weitere spannende Erkenntnisse in diesem Bereich auftun, werde ich euch natürlich schnellstmöglich informieren. 

Literaturverzeichnis

[1] Bordoni, Bruno, and Emiliano Zanier. "Understanding fibroblasts in order to comprehend the osteopathic treatment of the fascia." Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine 2015 (2015).

[2] Beardsley, Chris, and Jakob Škarabot. "Effects of self-myofascial release: a systematic review." Journal of bodywork and movement therapies 19.4 (2015): 747-758.

[3] Wilke, Jan, et al. "Influence of Foam Rolling Velocity on Knee Range of Motion and Tissue Stiffness: A Randomized, Controlled Crossover Trial." Journal of sport rehabilitation(2018): 1-17.

[4] Bushell, Jennifer E., Sierra M. Dawson, and Margaret M. Webster. "Clinical relevance of foam rolling on hip extension angle in a functional lunge position." The Journal of Strength & Conditioning Research 29.9 (2015): 2397-2403.

[5] Grabow, Lena, et al. "Higher Quadriceps Roller Massage Forces Do Not Amplify Range-of-Motion Increases nor Impair Strength and Jump Performance." The Journal of Strength & Conditioning Research 32.11 (2018): 3059-3069.

 

[6] Chaudhry, Hans, et al. "Three-dimensional mathematical model for deformation of human fasciae in manual therapy." The Journal of the American Osteopathic Association 108.8 (2008): 379-390.

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