Mythos - Die Kniebeuge

Die Kniebeuge ist eine der bekanntesten Fitnessübungen und wird oft als Königsdisziplin im Kraftsport bezeichnet. Sie wird vor allem im Rahmen eines Beintrainings eingesetzt, ist allerdings auch eine wahnsinnig effektive Ganzkörperübung. Die Rückenmuskulatur und die Bauchmuskeln stützen den Oberkörper und verhindern so, dass durch Fehlhaltungen Verletzungen entstehen. 

Wenn es um die richtige Technik geht, höre ich in meinen 1 zu 1 Coachings jedoch immer noch oft die folgende Frage: Sollen die Knie nun hinter den Zehenspitzen bleiben? Dieser Frage wollen wir uns jetzt einmal gemeinsam stellen. 

Die Knie und die Zehen

Diese Frage möchte ich einmal wissenschaftlich angehen und verschiedene Vor- und Nachteile auflisten. Zuerst sei gesagt, dass die Körperproportionen eine wichtige Rolle dabei spielen, ob die Knie überhaupt über die Zehen kommen oder nicht. Auch die Art der Kniebeuge an sich ist entscheidend. Je nachdem wie die Langhantel platziert wird, verschiebt sich der Körperschwerpunkt. Auch die Schrittstellung ist entscheidend. Da aber vor allem bei den meisten Hobbysportlern die Knie in Richtung der Zehen gelangen,  wollen wir uns einmal die Argumente ansehen, die dafür sprechen, die Knie hinter den Zehen zu halten. 

Dafür spricht

In vielen sportwissenschaftlichen Untersuchungen [1] konnte man messen, dass die einwirkenden Kräfte auf das Kniegelenk steigen, je spitzer der Kniewinkel wird. Wenn wir uns das Bild (Figure 1) einmal ansehen, wird deutlich, dass das Knie spitzer zulaufen kann, wenn die Knie über die Zehen geschoben werden. In der abgebildeten Tabelle sehen wir auch, dass das Drehmoment im Kniegelenk höher ist, wenn die Knie ungehindert über die Zehen geschoben werden.  

Dagegen spricht

Nur weil die Scherkräfte im Knie größer werden, heißt es jedoch nicht, dass das zwingend schädlich ist. Das Knie ist kräftig gebaut, um solchen Kräften entgegen zu wirken.  In der vorliegenden Studie betrug der Unterschied im Kniewinkel lediglich 7,3 °. Ob die zusätzliche Last auf dem Knie also nun schädlich ist, bleibt weiterhin zu untersuchen. Bezüglich des gemessenen Drehmoments im Knie, lässt sich sagen, dass der Unterschied relativ gering ist. 

Was aber definitiv bedenklich ist, ist die Verlagerung der Scherkräfte vom Knie hin zur Hüfte und zur Lendenwirbelsäule (LWS). Im Bild ist eindeutig zu sehen, dass eine blockierte Knieposition mit einer Ausweichbewegung der Wirbelsäule einher geht. Der Oberkörper wird stärker nach vorne gelehnt, was zu größeren Scherkräften in der LWS Gegend führt. Auch werden das Drehmoment und die Krafteinwirkung im Hüftgelenk ungleich verstärkt. Statt knapp 30 Nm wurde in der Studie beim „restricted“ Squat Kräfte von 300 Nm in der Hüfte gemessen. Dies entspricht einer Erhöhung um das 10-fache. Diese deutliche Krafteinwirkung auf das Hüftgelenk und die ungünstigere Haltung des Oberkörpers führen zu einer erhöhten Verletzungsanfälligkeit. 

Fazit

Das Kniegelenk sollte sich in der Kniebeuge im vollen Umfang bewegen dürfen. Die entstehenden Kräfte sind für das Gelenk selbst nicht zwangsläufig schädlich. Außerdem kann somit der Rücken und die Hüfte entlastet werden. Um diese Position überhaupt mit guter Technik zu erreichen, bedarf es einer guten Sprunggelenks-Mobilität und oft längerer Trainingserfahrung. Fangt also langsam an und konzentriert euch zuerst auf eine saubere Bewegungsausführung. Um euer Knie müsst ihr euch dabei erst einmal keine Sorgen machen. 

Literaturverzeichnis

[1] Fry, Andrew C., J. Chadwick Smith, and Brian K. Schilling. "Effect of knee position on hip and knee torques during the barbell squat." The Journal of Strength & Conditioning Research17.4 (2003): 629-633.

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