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Solltest Du Insekten essen??

Tierische Produkte haben gegenüber pflanzlichen Nahrungsmitteln den Vorteil, dass sie oft essenzielle Nährstoffe enthalten, die nur aus Tieren aufgenommen werden können. Außerdem weisen die Nährstoffe eine deutlich verbesserte Absorptionsrate auf als in Pflanzen. Tierische Lebensmittel haben jedoch auch einen großen Nachteil. Der negative Einfluss auf die Umwelt durch deren Anbau ist um ein Vielfaches höher, als der durch Pflanzen.

 

Schätzungen gehen davon aus, dass sich der Bedarf an Protein bis zum Jahr 2050 aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung und des steigenden Wohlstands um 70-80 % erhöhen könnte (Ausgangspunkt 2010. [1,2] Da heute schon (je nach Quelle) Experten davon ausgehen, dass Nutztiere für 14 – 32 % der menschlichen Treibhausgase verantwortlich sind, ist es nur logisch, dass wir mit unseren konventionellen Mitteln zur Proteinversorgung so nicht weitermachen können. [3,4]

 

Genau hier kommen die Insekten ins Spiel (Link zum Youtube Video). Insekten haben bezüglich der Belastung für die Umwelt einige klare Vorteile. Ihre „conversion rate“, also die Rate mit der Futtermittel zu tierischer Biomasse umgewandelt wird, liegt in der Regel deutlich niedriger. Sie wandeln ihre Nahrung effizienter in körpereigene Strukturen um, als beispielsweise Nutzvieh. Hier geht bei konventioneller Viehhaltung eine große Menge der Energie aus den Pflanzen verloren. 

Auch die Tatsache, dass Insekten mit Essensabfällen gefüttert werden können trägt dazu bei, dass ihr globaler Fußabdruck deutlich kleiner ausfällt als bei anderen Tieren. Dazu kommt, dass die Aufzucht verhältnismäßig einfach abläuft und der Reproduktionszyklus sehr kurz ausfällt.

 

 

In einer Studie wurden die Auswirkungen auf die Erderwärmung, sowie der Energieverbrauch und der Flächenbedarf von Mehlwürmern im Vergleich zu anderen tierischen Produkten berechnet. [5]

Mehlwürmer, sowie die meisten anderen Insekten, benötigen weniger Fläche (sowohl zum Leben als auch das für den Anbau ihrer Nahrung) und haben geringere Auswirkungen auf die Erderwärmung. Und obwohl der Gesamtenergiebedarf (Transport, Produktion, Elektrizität, …) für die Insektenhaltung sehr hoch ist (Insekten sind Wechselwarme Tiere und müssen bei konstanter Temperatur gehalten werden), ist der Energieverbrauch nicht nennenswert höher, als bei anderen Tierarten (blau = Minimum, rot = Maximum).

 

 

Insgesamt benötigen Mehlwürmer nur 43 % der Fläche die benötigt würde um die gleiche Menge reines Milchprotein herzustellen, wie reines essbares Insektenprotein. Im Vergleich mit Rindern, benötigen Insekten nur 10 % der Fläche. Weiterhin können Insekten als Ganzes verspeist werden und sind daher eine insgesamt effizientere Nahrungsquelle, bei der weniger Abfallprodukte anfallen. 

Entomophagie

Insekten als Nahrungsmittel zu verwenden wird als Entomologie bezeichnet. Und Entomologie ist nichts, was für uns Menschen vollkommen abwegig ist, sondern etwas, das schon lange existiert. Allein in Afrika werden über 500 verschiedene Insektenspezies konsumiert. [7] Weltweit sind es über 2000. Insekten machen generell über 70 % aller lebenden Tierarten aus

Nährwerte

Nährwerte von einzelnen Insekten darzustellen ist nicht einfach, da sie sich von Insekt zu Insekt unterscheiden können. Die exakten Nährwerte sind beispielsweise abhängig von der Wachstums- und Entwicklungsphase, der Aufzuchttemperatur und vor allem der Ernährung. Generell lassen sich für bestimmte Insektenfamilien jedoch auch bestimmte zu erwartende Körperzusammensetzungen finden. [8]

Protein

Das Proteinlevel schwankt relativ stark, befindet sich aber in der Regel in einem Bereich von ca. 42-63% der Gesamtmasse. Den höchsten Proteinanteil weisen die Orthoptera auf, zu denen auch Grashüpfer und Grillen gehören.

 

Die Proteinqualität ist bei den meisten Arten sehr gut und entspricht den Empfehlungen der WHO. [9] Lediglich die Aminosäuren Lysin und Methionin zeigten sich bei der Fütterung von Schweinen und Hühnern als potenziell limitierende Aminosäure. In Fütterungsstudien konnte demonstriert werden, dass eine Zugabe von 10-25 % Insekten zur regulären Nahrung eine verbesserte Leistung und ein besseres Wachstum in Hühnern hervorrief [10] und weitere Studien gehen davon aus, dass eine 50:50 Mischung für die Viehfütterung von Vorteil sein kann. [11] Andere Untersuchungen zeigen, dass bei vielen Insektenarten die essenziellen Aminosäuren zwischen 46 und 96 % des Gesamtproteins ausmachen. [12]

 

 

In der abgebildeten Tabelle sind die Protein-, sowie Fettwerte für unterschiedliche Insektenspezies, sowie, als Vergleich, die Werte von Fisch- und Sojamehl aufgeführt. [13, 14]

Fett

Der Fettgehalt ist bei Insekten relativ hoch, kann allerdings ebenfalls stark schwanken (2-50 %). Im Larvenstadium ist der Fettanteil generell höher. Raupen haben mit den höchsten Gehalt an Fett. Der Großteil des Fetts liegt in Form von Triacylglyceriden vor (~80 %). Diese dienen als Energiespeicher für längere energieintensive Phasen. Phospholipide machen einen weitern großen Anteil aus, jedoch in der Regel unter 20 %.

 

Insekten weisen einen hohen Gehalt an C18 Fettsäuren wie der Ölsäure, sowie der Linol- und Linolensäure auf. Auch die Palmitinsäure gehört zu den Fettsäuren welche am häufigsten vorkommen. Hier können jedoch starke Abweichungen auftreten je nach Ernährung des Insekts. Der Cholesteringehalt in einigen untersuchten Insektenspezies beläuft sich im Schnitt auf 3,6 % des Gesamtfettgehalts.

 

 

Im Vergleich zu Geflügel und einigen Fischsorten weisen viele Insekten sogar höhere Konzentrationen an mehrfach ungesättigten Fettsäuren auf, welche für die Herz-Kreislauf Gesundheit essentiell sind. [15] Allerdings sind die Konzentrationen an DHA und EPA verschwindend gering, könnten jedoch durch eine optimierte Ernährung der Insekten noch erhöht werden. Einen sehr großen Anteil nehmen die einfach ungesättigten Fettsäuren ein. 

Mikronährstoffe

Auch bei den Mikronährstoffen ist die Zusammensetzung stark von der Fütterung der Insekten abhängig. Im Allgemeinen lässt sich sagen, das Insekten niedrige Level an Calcium und Kalium aufweisen. Dagegen sind sie reich an Eisen, Zink, Magnesium, Phosphor, Mangan, Kupfer und Selen.

 

 

Auch Vitamine sind umfangreich vertreten. Insbesondere B-Vitamine wie Riboflavin oder Biotin, aber auch Folsäure kommen in höheren Konzentrationen vor. Geringe Level zeigen sich bei den fettlöslichen Vitaminen A, C, E, sowie den wasserlöslichen Thiamin und Niacin. 

Antinährstoffe

Insekten weisen neben der vorteilhaften Zusammensetzung der Nährstoffe, wie alle Nahrungsmittel auch einige Nachteile auf. Antinährstoffe, also Substanzen, welche die Absorption verschiedener Nährstoffe hemmen, sind in vielen Insekten vorhanden.

 

Die Larve der Afrikanischen Seidenraupe beispielsweise besitzt eine hitze-resistente Thiaminase, wodurch das Vitamin Thiamin schlechter aufgenommen werden kann. Auch verschiedene Allergene konnten in Insekten bereits nachgewiesen werden.

 

 

Chitin kann ebenfalls als Antinährstoff gelistet werden, da es die Absorption bzw. die Verdaubarkeit der Makro- und Mikronährstoffe in Insekten vermindert. [16]

Chitin

Chitin zählt zu den Polysacchariden und ist nach Cellulose das am weitesten verbreitete Polysaccharid. Chitin findet sich vor allem im „Panzer“ von Insekten und Krebstieren. Insekten besitzen zum Stabilisieren und Schützen des Körpers kein internes Skelett wie Säugetiere, sondern ein sogenanntes Exoskelett. Diese panzerartige Ummantelung besteht zum größten Teil aus dem Stoff Chitin, welches 5-20 % der Trockenmasse eines Insekts ausmacht. Lange Zeit wurde angenommen, dass Menschen das tierische Chitin nicht abbauen können. Aus diesem und aus sensorischen Gründen wird beispielsweise auch die Schale bei vielen Meeresfrüchten entfernt.

 

Tatsächlich wurden in dem Bereich der Chitinforschung in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Man hat 9 verschiedene Chitin-abbauende Enzyme in zahlreichen Säugetieren gefunden. Diese sogenannten chitinolytischen Enzyme wurden auch im Menschen entdeckt und auf ihre Aktivität untersucht. Während die Aktivität des Enzyms im Magen von bestimmten Affen (Macaca fascicularis) [17] sehr hoch war, zeigte das Enzym im Magen von Menschen eine extrem geringe Aktivität.

 

 

Der sogenannte Krabbenesser-Affe benötigt die enzymatische Aktivität, da Insekten und Krebstiere zu seiner typischen Ernährung gehören. Auch andere Tiere wie Hühner und Mäuse die ebenfalls gelegentlich Insekten verspeisen, weisen eine hohe enzymatische Aktivität auf. Da der Mensch mit dem Affen evolutionär sehr nah verwandt ist, besteht die Frage, wieso seine chitinolytischen Gene nur zu einem so niedrigen Ausmaß exprimiert werden. [18] 

In einem Experiment 2007 wurde der Magensaft von 25 Menschen verwendet, um die Aktivität der AMCase (Acidic mammalian chitinase) zu untersuchen. In 20 der 25 Teilnehmer konnte sich eine signifikannte chitinspaltende Aktivität nachweisen. [19]

 

Die Ausprägungsrate der Enzyme könnte unter anderem von den Ernährungsgewohnheiten abhängen. In Omnivoren ist die Expression der Chitinasen im Magen generell höher. Beispielsweise besitzen auch Kaninchen und Meerschweinchen die entsprechenden Gene, diese sind allerdings inaktiv. Die Forscher gehen davon aus, dass die Ernährungsgewohnheiten im Laufe der Jahre mit verantwortlich dafür sind, in welchem Maß die Gene exprimiert werden und wie hoch die Chitin-spaltende Aktivität im Magen ist. [20]

 

Im Säugetieren kommen die Chitinasen allerdings nicht nur um Magen vor, sondern auch in den Atemwegen. Man geht davon aus, dass sie als Teil der Immunantwort fungieren und uns gegen Parasiten schützen.

 

 

Chitin wird gelegentlich auch als tierischer Ballaststoff bezeichnet. Klar ist, dass Chitin die Verdaubarkeit von beispielsweise Protein reduziert. Falls Chitin also nicht einfach vom Körper abgebaut werden kann, kann es ratsam sein, dieses bei den Insekten vor dem Verzehr zu entfernen. 

Zukunftsaussicht

In den westlichen Ländern finden Insekten langsam ebenfalls ihren Weg in die heimischen Küchen. Allerdings noch selten in Form von ganzen Tieren. Insektenmehl, Proteinpulver oder Burgerpatties sind hier am häufigsten vertreten. Insekten werden immernoch mit zu stark mit Ekel assoziiert. Gleichzeitig sind die Menschen eher bereit insekten-basierte Lebensmittel in die Ernährung zu integrieren, wenn ihnen der positive Einfluss auf die Umwelt verdeutlicht wird. [21]

 

Als weiteres Anwendungsgebiet könnte auch die Verwendung für Viehfutter und Recycling von Abfallstoffen dienen. Viele Würmer eignen sich perfekt um Lebensmittelabfälle zu zersetzen und in hochwertiges Protein aufzuwerten. Diese Insekten können dann selbst als Futtermittel verwendet werden. In mehreren Versuchen wurde schon gezeigt, dass Insekten als Futtermittelzusatz eine optimale Nährstoffquelle darstellen und somit z.B. Soja- oder Fischmehl ersetzen könnten. [22,23] Interessant ist vor allem, dass Schweine, deren Anatomie und Physiologie dem Menschen sehr nahe kommt, mit Insekten als Nahrungszusatz sehr gut zurecht kommen.

 

 

Zukünftig müssen einige Faktoren noch stärker untersucht werden, Insekten als Nahrungsmittel für die breite Masse zugänglich zu machen. Insbesondere effizientere Methoden für die Massenaufzucht von Insekten sind von Nöten, um zum einen eine konstante Versorgung zu gewährleisten, und zum anderen den Preis zu reduzieren. Auch die 

Fazit

Die Menschheit benötigt in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten eine Alternative zur momentanen Massenproduktion von tierischen Lebensmitteln. Ob die Insekten nun als Futtermittel für die konventionelle Landwirtschaft herhalten sollten oder ob sie direkt vom Menschen verzehrt werden sollten, muss jeder für sich entscheiden.

 

 

Vom gesundheitlichen Standpunkt her lassen Insekten tatsächlich aufhoffen. Wissenschaftler haben beim Vergleich verschiedener Insekten mit regulärem Fleisch demonstriert, dass keine der untersuchten Insektenspezies ungesünder ist als traditionelle Fleischprodukte. [24] Die enorme Menge an essenziellen Aminosäuren, sowie die große Zahl an mehrfach ungesättigten Fettsäuren kann unserer westlichen Gesellschaft zu einer gesünderen Ernährung verhelfen. Auch der hohe Mineralstoffgehalt kann in bestimmten Personengruppen verwendet werden, um Nährstoffdefizite auszugleichen. Möglicherweise könnte sich in der westlichen Bevölkerung auch die Fähigkeit Chitin effizient zu verdauen, wieder entwickeln.

 

Bis es soweit ist, sollten der Fokus jedoch nicht auf eine einzige Alternative zur Massenproduktion tierischen Proteins gesetzt werden. Je mehr unterschiedliche Alternativen in der Bevölkerung ankommen, desto besser können die negativen Folgen für Klima und Gesundheit abgewendet werden. 

Literaturverzeichnis

[1] United Nations Food and Agriculture Organization (2006) World Agriculture Towards 20302050.  Prospects for Food, Nutrition, Agriculture and Major Commodity Groups. (United Nations Food and Agriculture Organization, Rome).

[2] World Bank (2008) Annual World Development Report (World Bank, New York).

[3] Oonincx, Dennis GAB, and Imke JM De Boer. "Environmental impact of the production of mealworms as a protein source for humans–a life cycle assessment." PloS one 7.12 (2012): e51145.

[4] Pelletier, Nathan, and Peter Tyedmers. "Forecasting potential global environmental costs of livestock production 2000–2050." Proceedings of the National Academy of Sciences 107.43 (2010): 18371-18374.

[5] Oonincx, Dennis GAB, and Imke JM De Boer. "Environmental impact of the production of mealworms as a protein source for humans–a life cycle assessment." PloS one 7.12 (2012): e51145

[6] Insects as Food Something for the future (2015)

[7] African edible insects for food and feed inventory, diversity, commonalities and contribution to food security

[8] A review and comparative characterization of the fatty acid compositions of seven insect orders

[9] Rumpold, Birgit A., and Oliver K. Schlüter. "Nutritional composition and safety aspects of edible insects." Molecular nutrition & food research 57.5 (2013): 802-823.

[10] Rumpold, Birgit A., and Oliver K. Schlüter. "Nutritional composition and safety aspects of edible insects." Molecular nutrition & food research 57.5 (2013): 802-823.

[11] Makkar, Harinder PS, et al. "State-of-the-art on use of insects as animal feed." Animal Feed Science and Technology 197 (2014): 1-33.

[12] Xiaoming, Chen, et al. "Review of the nutritive value of edible insects." Forest insects as food: humans bite back 85 (2010).

[13] Kouřimská, Lenka, and Anna Adámková. "Nutritional and sensory quality of edible insects." NFS Journal 4 (2016): 22-26.

[14] Makkar, Harinder PS, et al. "State-of-the-art on use of insects as animal feed." Animal Feed Science and Technology 197 (2014): 1-33.

[15] Rumpold, Birgit A., and Oliver K. Schlüter. "Nutritional composition and safety aspects of edible insects." Molecular nutrition & food research 57.5 (2013): 802-823

[16] Rumpold, Birgit A., and Oliver K. Schlüter. "Nutritional composition and safety aspects of edible insects." Molecular nutrition & food research 57.5 (2013): 802-823.

[17] Uehara, Maiko, et al. "Chitinase mRNA levels determined by qPCR in crab-eating monkey (Macaca fascicularis) tissues: Species-specific expression of acidic mammalian chitinase and chitotriosidase." Genes 9.5 (2018): 244.

[18]Muzzarelli, Riccardo AA, et al. "Current views on fungal chitin/chitosan, human chitinases, food preservation, glucans, pectins and inulin: A tribute to Henri Braconnot, precursor of the carbohydrate polymers science, on the chitin bicentennial." Carbohydrate polymers 87.2 (2012): 995-1012.

[19] Paoletti, Maurizio G., et al. "Human gastric juice contains chitinase that can degrade chitin." Annals of Nutrition and Metabolism 51.3 (2007): 244-251.

[20] Chitin digestibility is dependent on feeding behaviors, which determine acidic chitinase mRNA levels in mammalian and poultry stomachs

[21] Edible insects marketing the impossible

[22] Insect proteins—a new source for animal feed The use of insect larvae to recycle food waste in high‐quality protein for livestock and aquaculture feeds is held back

[23] Insects a protein-rich feed ingredient in pig and poultry diets

[24] Payne, C. L. R., et al. "Are edible insects more or less ‘healthy’than commonly consumed meats? A comparison using two nutrient profiling models developed to combat over-and undernutrition." European journal of clinical nutrition 70.3 (2016): 285.

 

 

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